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Berans Kul­tur-Bot­schaft

Foto:Maresa Mader

„Wem helfen eigentlich Hilfszügel?“

Dem Rei­ter? Dem Pferd? Fakt ist, dass jeder Hilfs­zü­gel das Pferd in eine Zwangs­hal­tung bringt. Er soll­te also bes­ser „Zwangs­zü­gel“ hei­ßen, was den Effekt hät­te, dass die­se nega­ti­ve Anmu­tung mehr Anwen­der zum Nach­den­ken anre­gen wür­de. Solan­ge ein Zwangs­zü­gel wie etwa der Schlauf­zü­gel den Kose­na­men „Schlau­fi“ trägt, ver­bin­den ja die wenigs­ten damit etwas Grausames.

Die Dressur eines Pferdes ist das Schwierigste überhaupt

Sie ver­langt sehr viel Kön­nen, Wis­sen und Erfah­rung. Jedes ande­re Tier ist wesent­lich ein­fa­cher aus­zu­bil­den, denn es muss ledig­lich VER­STE­HEN was wir von ihm möch­ten und moti­viert sein, das Ver­lang­te aus­füh­ren zu WOL­LEN. Ein Reit­pferd muss VER­STE­HEN, WOL­LEN und außer­dem KÖN­NEN! Habe ich mein Pferd bei­spiels­wei­se sehr auf die Vor­hand gerit­ten, kann es kei­ne erha­be­ne Piaf­fe mit Fleiß und Ener­gie zei­gen, weil es ihm kör­per­lich nicht mög­lich ist. Da hilft kein Stra­fen und kein Wie­der­ho­len, das Pferd hat ver­stan­den, wür­de es auch ger­ne machen, aber es kann ein­fach nicht. Stel­len Sie sich vor, Sie sol­len Spa­gat machen und wür­den das auch ger­ne. War­um tun Sie es dann nicht? Weil Ihr Köper nicht aus­rei­chend gym­nas­ti­ziert ist und Sie es nicht KÖN­NEN! Glau­ben Sie, ein Hilfs­zü­gel könn­te Ihnen da hel­fen? Nein, aber er kann Sie zwin­gen. Aber er wird Ihnen die Moti­va­ti­on neh­men und Ihnen even­tu­ell ein Mus­kel­pro­blem besche­ren, viel­leicht sogar eine Ver­let­zung an Band oder Sehne.

Gute Pferdeausbildung
braucht Jahre

Ver­ges­sen wir nicht, was Udo Bür­ger uns in sein Lehr­buch „Voll­ende­te Reit­kunst“ schrieb: „Wir müs­sen die Hal­tung genau so wie die Füh­rung von hin­ten nach vorn auf­bau­en, Kopf und Hals sind das letz­te, was sich der Form aus einem Guß anpasst“ (mehr dazu ab Sei­te 60). Am Ende die­ser Gym­nas­ti­zie­rung geht das Pferd mit schön gewölb­tem Hals in Auf­rich­tung, aber das dau­ert Jah­re. Jede Zwangs­maß­nah­me, um die­se Hal­tung beim Pferd vor­her zu errei­chen, ist nicht reell und für das Pferd weder gesund noch moti­vie­rend. Doch schon Bür­ger wuss­te: „Das Auge des Anfän­gers wird immer an der mehr oder weni­ger schön gebo­ge­nen Hals­form hän­gen blei­ben. Aber die­ses ein­sei­ti­ge Beach­ten der Hals­hal­tung führt sol­che Rei­ter auch zu dem schlimms­ten und häu­figs­ten Feh­ler, und der ist die Sucht, durch irgend­wel­che Mani­pu­la­tio­nen mit den Hän­den errei­chen zu wol­len, dass das Pferd in Hal­tung geht.“

Bitte keine Zwangshaltung
in der Reitkunst

Sind wir eigent­lich eine Nati­on von Reit-Anfän­gern gewor­den? Wer­den Mani­pu­la­tio­nen an Pfer­den von Pro­fis in Kauf genom­men, um Anfän­gern zu impo­nie­ren oder zum Pfer­de­kauf zu über­re­den? Das wäre der Krea­tur gegen­über schä­big und der Reit­kunst außer­dem nicht dien­lich. Oder ist es eher so wie Udo Bür­ger schreibt: „Es gibt sogar Rei­ter, die sich mit Pfer­de­aus­bil­dung befas­sen und die in ihrer Rat- und Gefühl­lo­sig­keit zum fest­ste­hen­den Aus­bin­de­zü­gel, zum fla­schen­zug­ar­tig wir­ken­den Schlauf­zü­gel und ande­ren sinn­rei­chen Kon­struk­tio­nen von Hilfs­zü­geln grei­fen, wel­che Kopf und Hals des Pfer­des her­un­ter­zie­hen und so eine Beu­ge­hal­tung erzwin­gen, die eben nur eine Zwangs­hal­tung sein kann. Die­ser Tat­sa­che, ver­bun­den mit den vie­len Miss­erfol­gen ist es zu ver­dan­ken, dass die­se For­mungs­ma­schi­nen fast ganz in Ver­ges­sen­heit gera­ten sind. Und sieht man mal, dass irgend­ein an sich selbst Ver­zwei­feln­der sie wie­der aus­gräbt, dann braucht man nur kur­ze Zeit abzu­war­ten, um zu sehen, dass er sein Pferd damit zugrun­de­rich­tet, weil er es auch mit die­sen Mit­teln nicht kann, denn er sitzt rest­los im Sumpf der Irr­leh­re fest.“

„Zwangszügel“ brauchen worin
der Pferdeausbildung nicht

Lei­der sind die „For­mungs­ma­schi­nen“ ganz und gar nicht ver­schwun­den, son­dern als Bestand­teil moder­ner Pfer­de­aus­bil­dung in fast jedem Reit­stall eta­bliert. Sogar bei Körun­gen voll­kom­men unfer­ti­ger jun­ger Hengs­te kom­men sie zum Ein­satz. Sit­zen wir also mehr denn je im Sumpf der Irr­leh­re fest? Haben wir wirk­lich so vie­le „an sich selbst Ver­zwei­feln­de“? Oder ein­fach Pro­fis und Lai­en, die es sich bequem machen. Das wür­de dafür spre­chen, dass wir den Begriff „Zwangs­zü­gel“ brau­chen. Was wir jeden­falls drin­gen­der denn je brau­chen, sind ech­te Aus­bil­der, die reel­le Hil­fe bei der Aus­bil­dung leis­ten und die Hoch­kon­junk­tur der Hilfs­zü­gel stoppen.

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Lesen Sie wei­ter in Reit­Kul­tur – Aus­ga­be Nr. 6