Berans Kulturbotschaft 12
Galoppwechsel — eingetrichtert, abgespult, armselig.
Fliegende Galoppwechsel haben etwas von Unbeschwertheit und Coolness – beliebig können wir die Hand wechseln, während unser Pferd lässig in den neuen Handgalopp umspringt. Genauso lässig war es ursprünglich gedacht: Für den Gebrauch, im Kampf und bei der Arbeitsreiterei, musste das Pferd prompt, zuverlässig und mit wenig Aufwand den Galopp wechseln. Das ist ein natürlicher, unverkrampfter Bewegungsablauf, den die Dressur abrufbar macht. Im Gebrauch ist es wichtig, dass das Pferd flink wechselt: Die heute erwünschte Bergauftendenz ist hübsch anzusehen, wäre aber hinderlich bei einem Arbeitspferd, da viel zu zeitaufwändig und gefährlich – in so einem Moment könnte etwa ein Stier unter die Vorderbeine des Pferdes geraten und es umwerfen.
Wie imponierend schön gesprungene Galoppwechsel wirken, wusste auch der französische Zirkusreiter François Baucher und präsentierte im Pariser Zirkus erstmals einen englischen Vollblüter in Eintempiwechseln. Eine Grand-Prix-Lektion war geboren – wovon Baucher freilich nie erfuhr, denn er erntete außer Jubel von seinen Verehrern zunächst einmal bittere Kritik seiner Gegner, die Wechsel von Sprung zu Sprung als zu weit von der Natur entfernt einstuften. Auch Gustav Rau, der berühmte Hippologe des 20. Jahrhunderts, gehörte zu den Wechselkritikern, setzte Rau doch auf naturbelassene Reiterei statt Zirkusdressur. Bemängelt wurde und wird unter anderem, dass Einerwechsel auch mit steifen, nicht vollends durchlässigen Pferden reitbar sind. In der Spanischen Hofreitschule galten sie deshalb lange als verpönt und durften nicht gezeigt werden. Heute gehören sie in Wien zum Repertoire und fanden ihren Weg aus der Zirkusmanege in den Turniersport.
Dieser hat sich bekanntlich in vielen Bereichen weg von der Klassik und hin zur Show respektive zum Dressieren bekannt. Fliegende Wechsel werden in Serie verlangt: Nach jedem dritten, jedem zweiten und als Höhepunkt nach jedem Galoppsprung soll ein Wechsel folgen – meist auf der Diagonalen, später auch einmal auf der Mittellinie. Die Aufgaben variieren nicht von Turnier zu Turnier, sondern der Pool an Aufgaben muss immer wieder abgeritten werden. Der Weg zum Dressieren und Mechanisieren wurde damit geebnet. Man glaubt nicht, wie schwierig es ist, mit einem sogenannten Dressurpferd die Wechsel in umgekehrter Reihenfolge zu reiten (etwa erst Dreier‑, dann Einer- und danach Zweierwechsel). Möchte man sie plötzlich auf einer anderen Linie reiten, etwa auf einem Zirkel, steht der Reiter vor einem fast unlösbaren Problem, denn viele der Pferde wurden automatisiert anstatt gymnastiziert. Sie kennen ihre Aufgaben auswendig, sind aber nicht wirklich an den Hilfen. Und so spulen sie die Wechsel in eingetrichterter Weise und Reihenfolge ab – ein armseliges, oft ausdrucksloses Ergebnis, keine Spur von ersehnter Coolness und Unbeschwertheit!